Der 29. Fall aus der Leo-Schwartz-Krimireihe
1.
Angela Lickleder hatte sich Weihnachten und Silvester in diesem Jahr so schön vorgestellt. Schon seit Wochen freute sich die Achtunddreißigjährige auf den Mann, der ihr Leben endlich bereichern und lebenswert machen sollte. Jetzt war er tot.
Sie hatte Eduardo vor zwei Jahren übers Internet kennengerlernt. Der Brasilianer war mit seinen achtundzwanzig Jahren viel zu jung für sie, dazu sah er auch noch verdammt gut aus. Anfangs war sie misstrauisch über sein Interesse, denn sie war nicht die Frau, nach der sich die Männer umdrehten. Sie war keine Schönheit, sondern ausgesprochen hässlich, was man ihr schon seit der Grundschule immer wieder vorhielt. Sie wusste selbst, dass sie nicht perfekt war und zog sich schon immer zurück und hielt sich lieber im Hintergrund. Zu allem Unglück waren auch ihre Eltern in den Bankrott des Onkels hineingezogen worden und hatten ihr nach dem Tod Schulden hinterlassen, wodurch auch sie mittellos geworden war. Das Wenige, das sie als Küchenhilfe im Krankenhaus verdiente, reichte gerade so zum Leben. Trotzdem hatte sie tief in ihrem Inneren immer den sehnlichen Wunsch nach einem Partner gehabt. Stand ihr dieses Glück nicht auch zu? Vor zwei Jahren meldete sie sich auf einer Dating-Plattform an, was auf einen Schlag ihr ganzes Leben veränderte. Eduardo war sofort an ihr interessiert und überhäufte sie mit Komplimenten, die sie noch nie bekommen hatte. Angela blieb misstrauisch, denn im Umgang mit ihren Mitmenschen war sie ein gebranntes Kind. Nach drei Monaten lud sie mehrere Fotos von sich hoch, die nichts beschönigten. Schonungslos zeigte sie Eduardo, wie sie aussah und mit wem er sich abgab. Sie erwartete, dass er den Kontakt abbrach, aber nichts dergleichen geschah. Die Komplimente hörten nicht auf, wurden sogar noch sehr viel schmeichelhafter und intimer. Nach vier Monaten telefonierten sie zum ersten Mal miteinander, was wegen der Sprachbarriere nicht einfach war. Trotzdem schweißten sie die wenigen Worte mehr und mehr zusammen. Angela schwebte wie auf Wolken und begann portugiesisch zu lernen. Ihr stand eine rosige Zukunft und die Erfüllung all ihrer Träume bevor. Jetzt war Eduardo tot und alles war kaputt. Was war nur geschehen? Wie hatte er sich so sehr verändern können? Sie hatte doch gespürt, dass es Eduardo ehrlich mit ihr meinte. Ja, sie wusste von den vielen Betrügern im Netz, die es nur auf das Geld ihrer Kontakte abgesehen hatten. Aber Eduardo war anders. Er bat sie kein einziges Mal um Geld. Auch deshalb sparte sie sich jeden Cent vom Mund ab und überwies alles, was sie entbehren konnte, auch wenn es sich dabei nur um Kleinbeträge handelte. Warum hätte sie ihm das Geld nicht überweisen sollen? Eduardo war ehrlich gewesen und hatte ihr gebeichtet, dass er arm war, viel ärmer als sie selbst. War es nicht so, dass sich Liebende unterstützten, wo sie nur konnten?
Von Monat zu Monat wuchs in ihr das Verlangen, ihren Eduardo endlich anfassen und spüren zu können. Sie selbst schlug ihm vor, zu ihr nach Deutschland zu kommen. Dass sie nach Brasilien reisen würde, kam überhaupt nicht in Frage, denn sie hatte Flugangst und würde sich niemals freiwillig in ein Flugzeug setzen. Außerdem war der Gedanke, sich in einem fremden Land aufzuhalten, in dem sie sich nicht auskannte und die Sprache nicht sprach, unerträglich. Eduardo sollte zu ihr nach Deutschland kommen und mit ihr zusammen leben. Sie konnte sich noch sehr gut an seine Reaktion erinnern, als er fast weinte. Ja, er sagte zu, auch wenn er das Geld für ein Flugticket nicht hatte. Von da an übernahm Angela jede Überstunde, die sie ergattern konnte. Dazu ließ sie sich die Urlaubstage auszahlen, was dem Chef aufgrund des Personalmangels sehr entgegenkam. Sie verkaufte auch den Schmuck ihrer verstorbenen Mutter, der nicht viel einbrachte, da es sich nur um Silberschmuck handelte und die Steine von minderer Qualität waren. Aber auch diese siebzig Euro legte sie zur Seite. Ob sie es schaffen würde, ihren Geliebten noch vor Weihnachten nach Deutschland einfliegen zu lassen? Wie schön wäre es, dieses Jahr nicht wie in den vorherigen allein zu sein? Ende November fehlten trotzdem immer noch zweihundert Euro für das Ticket. Sie nahm ihren Mut zusammen und bat ihren Cousin Christian um ein Darlehen, das er ihr sofort gewährte. Zwar hatte er selbst nicht viel, aber hätte er seiner Cousine diese Freude verwehren sollen? Durch die Pleite seines Vaters wurde auch die Familie Lickleder hineingezogen, da der Onkel, Angelas Vater, viel Geld in die wackligen Geschäfte investiert hatte. Christians Vater war sehr geschickt darin gewesen, andere für seine Ideen zu begeistern und sie zu überreden. Auch deshalb hatte Christian immer ein schlechtes Gewissen Angela gegenüber, obwohl er selbst nichts für den Ruin konnte. Es war mehr als ein schlechtes Gewissen. Er hatte auch schon immer Mitleid mit Angela gehabt und wusste, dass sie es nicht leicht hatte. Viele Male hatte er die hämischen Beleidigungen, denen sie ausgesetzt war, mitbekommen. Zwei Mal hatte er sich sogar wegen ihr geprügelt, was ihm nicht gut bekommen war. Davon wusste Angela nichts, die ein sehr einfaches Gemüt hatte und immer sehr in sich gekehrt war. Natürlich wusste Christian von Eduardo, Angela hatte ihm alles erzählt. Anfangs war auch er skeptisch, denn warum sollte sich ein solch gutaussehender, viel zu junger Mann für seine Cousine interessieren, wenn es nicht um Geld ging? Angela hatte ihm hoch und heilig versprechen müssen, ihm kein Geld zu geben und er glaubte ihr, auch wenn sie ihn in diesem Punkt anlog.
Im Laufe der Zeit schwand Christians Misstrauen und er freute sich mit Angela, die ein privates Glück echt verdient hatte.
Angela war überglücklich gewesen, als das Ticket bezahlt war. Am 23.12. sollte Eduardo in München landen, was gerade noch rechtzeitig war, um das Weihnachtsfest gemeinsam zu feiern. Fast täglich telefonierten sie und Eduardo miteinander. Sie malten sich die Zukunft in den rosigsten Farben aus. Sobald ihr Geliebter hier war, würde sie endlich leben dürfen wie alle anderen auch. In diesem Jahr sollte Weihnachten etwas ganz Besonderes sein. Sie dekorierte die kleine Wohnung mit all dem Weihnachtsschmuck, den sie aus ihrer Kindheit kannte. Sie leistete sich sogar einen kleinen Weihnachtsbaum, den sie mit Liebe schmückte. In diesem Jahr sollte es auch eine Gans geben, wie sie es aus Kindertagen kannte. Dazu gab es Kartoffelbrei und Rotkohl. Ob Eduardo die deutsche Küche mochte? Sie hoffe es inständig.
Angela ließ es sich nicht nehmen, Eduardo mit ihrem alten Kleinwagen vom Flughafen abzuholen. Die Vorfreude war kaum auszuhalten. Sie hatte sich ihr schönstes Kleid angezogen, das für diese Jahreszeit viel zu dünn war. Darüber trug sie einen Mantel, den sie schonte und nur zu Beerdigungen trug. Eigentlich hätte sie zum Friseur gehen sollen, aber dafür war kein Geld mehr übrig. Sie kämmte die kurzen Haare und benutzte sogar einen Lippenstift, der schon viele Jahre alt war und nicht mehr ganz so schön glänzte.
Nervös wartete sie in der Ankunftshalle. Sie hatte eine gelbe Rose gekauft und hielt sich daran fest. Als Eduardo endlich auf sie zukam, stockte ihr Atem: Er sah noch viel besser aus, als auf den Bildern. Sie umarmten sich und am liebsten hätte sie ihn nie mehr losgelassen. Dass die beiden ein ungleiches Paar abgaben, störte sie nicht. Er, der junge, gutaussehende Schwarze, und sie, die hässliche Frau, die sehr viel älter aussah, als sie war. Viele rümpften die Nase, aber das war vor allem Angela egal.
Die ersten beiden Tage waren phantastisch gewesen. Eduardo schlief zwar viel, aber wenn er wach war, war er sehr zuvorkommend. Die Sprachbarriere war ein Problem, denn die wenigen Worte, die Angela gelernt hatte, reichten bei weitem nicht aus. Irgendwie verständigten sie sich. Jetzt von Angesicht zu Angesicht war das sehr viel einfacher als am Telefon. Angela ergriff die Initiative und versuchte, sich ihm auch körperlich zu nähern, aber er wich ihr aus. Er erklärte ihr, dass er wegen des langen Fluges müde war und sie verstand ihn. Trotzdem sehnte sie sich danach, ihn anzufassen und ihm nah zu sein. Aber sie musste geduldig sein. Am liebsten hätte sie ihren Eduardo sofort der ganzen Welt gezeigt. Den Neidern und Mobbern. All denen, die sich schon immer über sie lustig gemacht hatten. Sie hatte sich sehr oft ausgemalt, wie bewundernd und auch schockiert andere reagieren würden, wenn plötzlich dieser Mann an ihrer Seite auftauchte. Wann war es endlich so weit? Wann konnte sie ihren Freund präsentieren? Sie bettelte und bettelte, schließlich ließ sich Eduardo für einen kurzen Spaziergang erweichen. Es war schon dunkel an diesem ersten Weihnachtsfeiertag, deshalb wählte Angela den Stadtplatz. Aber gerade heute war alles wie leergefegt. Niemand war hier, dem sie ihren Eduardo hätte präsentieren und mit ihm angeben können. Auf dem Weg zum Auto begegneten sie aber Lisbeth, der dicken Verkäuferin bei Metzger Strömer. Endlich ein bekanntes Gesicht! Lisbeth war etwa in ihrem Alter und sie war die Pest! Lisbeth war der fieseste Mensch, den Angela je kennengelernt hatte. Sie gab ihr immer die erste Scheibe Wurst, auch wenn die schon übel aussah. Außerdem grabschte sie immer mit ihren dicken Fingern auf ihrem Aufschnitt herum und drückte manchmal sogar Löcher hinein, was Angela sehr wohl bemerkte, aber nie ein Wort darüber verlor. Sie traute sich nicht, denn sie fürchtete sich vor der dicken Frau, deren Waffe ihr loses Mundwerk war. Es machte Lisbeth Spaß, ihr dumme Fragen zu stellen und sie damit vor allen anderen bloßzustellen. Das machte diese schreckliche Frau alles mit Absicht! Jetzt stand die verhasste Lisbeth mit offenem Mund vor ihr. Sie sagte keinen Ton. Sie blieb einfach nur stehen und schien nicht zu glauben, was sie sah. Angela klammerte sich an Eduardo und er schien zu verstehen, denn er hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Beide lachten und kicherten wir Teenager. Lisbeth fiel fast um vor Schreck. Schon allein wegen ihr hatte sich der Spaziergang gelohnt.
Nach Weihnachten war Eduardo nicht mehr so nett und begann, ohne sie auszugehen. Er verzog sich immer öfter ins Bad, wo er heimlich telefonierte. Wenn sie ihn darauf ansprach, wich er aus. Als er am 31.12. seine Jacke nahm und gehen wollte, war sie gerade dabei, das Abendessen zu kochen. Sie wollte sich sein Verhalten diesmal nicht wieder gefallen lassen und stellte ihn zur Rede. Sie machte ihm Vorwürfe und schrie ihn an, als er keine Anstalten machte, seine Jacke wegzulegen und bei ihr zu bleiben. Eduardo verstand kein Wort, spürte aber, dass sie wütend war und dass es ihr nicht gefiel, wie er sich benahm. Es war ihm egal. Er war endlich in Deutschland und nur das war es, was er von ihr wollte. Außer mit Angela hatte er noch mit zig anderen Frauen Kontakt gehabt, die alle darauf abzielten, ihn nach Deutschland zu bringen. Hier hatte er Freunde, die ihm den Einstieg in ein neues Leben ermöglichten. Sie hatten ihn heute zu einer Silvesterfeier eingeladen, auf die er sich sehr freute. Warum sollte er hier mit dieser alten, hässlichen Frau sitzen und sich langweilen, während draußen das Leben auf ihn wartete, nach dem er sich so lange gesehnt hatte? Ein unbekümmertes, fröhliches Leben war ihm bisher nicht vergönnt gewesen, dafür hatte er in seiner Heimat in zu bitterer Armut gelebt. Vor über zwei Jahren bekam er von einem Freund den Tipp, eine deutsche Frau zu suchen und sie so lange zu umgarnen, bis er sie heiraten konnte und ein unbekümmertes Leben in Deutschland führen könnte, oder zumindest das Flugticket bezahlt bekäme, das ihm den Weg in die Freiheit und in eine gute Zukunft ermöglichte. Er hatte damals zunächst gezweifelt, ob das möglich wäre. Dass es so einfach werden würde, mit fremden Frauen, die nicht einmal seine Sprache sprachen, in Kontakt zu kommen, hätte er nie für möglich gehalten. Die Liebesschwüre hatte er aus dem Internet und die brauchte er nur in die jeweiligen Profile zu kopieren. Die Frauen merkten nichts. Und wenn, dann gab es eben andere. Von da an konnte er ein besseres Leben führen, denn einige Frauen überwiesen ihm Geld, ohne dass er darum bitten musste. Wie leichtgläubig deutsche Frauen doch waren! Dass er die Frauen nur ausnutzte, war ihm gleichgültig. Er musste an sich denken und an niemand anderen. Eine Heirat mit Angela kam nicht in Frage, dafür hatte sie nicht genug Geld. Schon am Flughafen hatte er sofort ihre schäbige Kleidung bemerkt, vor allem der Mantel roch übel. Als er ihren Wagen sah, war ihm bewusst, dass er eine finanziell sorglose Zukunft mit Angela vergessen konnte. Er brauchte einen neuen Plan, den er mit Hilfe von Freunden gefasst hatte. In zwei Tagen kam ein Freund aus Landshut. Er wollte mit ihm gemeinsam versuchen, eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Ob das alles gutging, stand in den Sternen. Wenn nicht, hielt er sich illegal in diesem Land auf und musste sich etwas anderes überlegen. Er erwog eine Scheinehe, die er aber nicht gedachte, mit Angela einzugehen. Ja, sie hatte ihm das Ticket besorgt und in den letzten zwei Jahren immer wieder Kleinbeträge überwiesen, wofür er ihr dankbar war. Aber für eine Scheinehe wollte er sich doch etwas Hübscheres und vor allem etwas Reicheres suchen. Er hatte gesehen, wie schön deutsche Frauen sind, von denen ihn viele angelächelt hatten. Ein eindeutiges Zeichen für ihn, dass er viele Deutsche haben konnte, wenn er wollte. Warum sollte er sich dann mit Angela abgeben? Nein, sie kam für ihn nicht in Frage.
Angela schrie immer lauter, ihre Stimme überschlug sich. Eduardo hatte genug von ihren Vorhaltungen, denn die Fratze der hässlichen Frau wurde für ihn unerträglich. Noch während sie ihn anschrie ging er ins Schlafzimmer und packte seine Tasche. Als Angela begriff, was hier gerade passierte, verwandelte sich ihre Enttäuschung in blanken Hass. Sie schlug wie von Sinnen auf ihn ein. Eduardo wehrte sich nicht, denn er schlug keine Frauen. Die Schläge schmerzten. Als er trotzdem seine Tasche nahm und an ihr vorbeiging, drehte sie völlig durch. Sie griff nach der schweren Engelsfigur auf der Anrichte im Flur und folgte ihm – sie holte aus und schlug zu. Eduardo fiel einfach um. Als sie begriff, was sie getan hatte, weinte sie. Sie setzte sich zu Eduardo auf den Boden und nahm seinen Kopf auf ihren Schoß. Dass er blutete, merke sie nicht. Sie streichelte ihn und weinte, zu mehr war sie nicht fähig. Sie hatte ihn umgebracht.
Es war dunkel geworden, als sie begriff, dass sie etwas tun musste. Eduardo durfte nicht hierbleiben. Wenn man ihn hier finden würde, würde man sie verurteilen und für den Rest ihres Lebens einsperren. Das wollte sie unter keinen Umständen! Sie hatte Filme mit Gefängnissen gesehen. Das waren dunkle, dreckige Löcher, in denen die schwersten Verbrecher eingesperrt waren, zu denen sie nicht gehörte. Nein, sie wollte mit dem Toten nichts mehr zu tun haben, die Leiche musste weg. Aber wie sollte sie das anstellen? Allein schaffte sie das niemals, dafür war sie nicht kräftig genug. Außerdem hatte sie keine Ahnung, wohin sie die Leiche bringen sollte. In ihrer Panik rief sie ihren Cousin an. Er war Polizist und er wusste, was zu tun war.
Christian Pölz wurde schlecht, als er ihre zitternde Stimme hörte.
„Was ist passiert?“
„Er ist tot. Es war ein Unfall, du musst mir glauben!“
„Beruhige dich, Angela! Was ist passiert?“
„Eduardo ist tot. Er wollte weg und wir haben uns gestritten. Ich wollte das nicht, das war ein Unfall!“, schrie sie hysterisch. „Ich will nicht ins Gefängnis, Christian!“
„Du musst die Polizei rufen, Angela! Erklär den Kollegen, was passiert ist. Wenn es ein Unfall war, hast du nichts zu befürchten.“ Christian Pölz versuchte, der aufgebrachten Frau ganz ruhig zu erklären, was sie zu tun hatte, auch wenn er nicht verstand, was eigentlich passiert war. „Reiß dich zusammen und ruf die Polizei“, wiederholte er.
„Man wird mich einsperren! Ich werde ins Gefängnis kommen und nie wieder rauskommen! Du musst mir helfen, Christian, das bist du mir schuldig!“
„Was meinst du damit?“
„Dein Vater hat meine Eltern mit in den Ruin gerissen. Ohne deinen Vater wäre mein Leben ganz anders verlaufen. Du bist mir das schuldig, hörst du? Du musst mir helfen!“
Angela spielte die Trumpfkarte aus, die ihn direkt traf. Ja, er war ihr das schuldig, auch wenn es ihm widerstrebte, vor allem als Polizist. Trotzdem fühlte er sich verpflichtet, ihr zu helfen.
„Unternimm nichts und warte auf mich.“
„Du willst mir wirklich helfen? Ohne Polizei?“
„Ja. Ich bin gleich bei dir.“
Christian war leichenblass geworden. Für einen kurzen Moment dachte er darüber nach, doch die Kollegen zu rufen, verwarf das dann wieder. Angela war Familie und hatte absolut Recht mit dem, was sie sagte. Sie hatte es nicht leicht gehabt, woran vor allem sein Vater Schuld hatte, dessen waghalsigen Geschäfte er ihm auch über den Tod hinaus nicht verzieh. Hätte er sich nicht verspekuliert, wäre Angelas Familie nicht in den Ruin getrieben worden. Wenn es seinen Vater und diese riskanten Geschäfte nicht gegeben hätte, wäre vieles anders gelaufen, aber so war es nun mal, daran konnte er nichts mehr ändern. Christian schämte sich auch heute noch für seinen Vater und fühlte sich jetzt dazu verpflichtet, seiner Cousine zu helfen. Der fremde Mann aus Brasilien war jetzt tot. Dass das ein Unfall war, glaubte er seiner Cousine. Sie war kein gewalttätiger Mensch, sondern eher sanft und gutmütig, vielleicht sogar naiv. Eine Mörderin war sie auf keinen Fall, daran wollte er nicht glauben. Was sollte er jetzt tun? Christian atmete tief durch und versuchte, sich zu konzentrieren. Wer wusste von Eduardo? Wer würde ihn vermissen? Fragen, die er mit Angela später klären musste. Die Leiche musste weg, und zwar für immer. Aber wie sollte er das anstellen?
Christian begann zu zittern und mahnte sich zur Ruhe. Er durfte kein Risiko eingehen und keinen Fehler machten. Eine Identifizierung der Leiche musste er verhindern. Aber wie? Er trank einen Schnaps. Ganz langsam begann er, die Situation nüchtern zu betrachten. Der Brasilianer war tot – wie und warum war jetzt nicht wichtig. Die Leiche musste aus Angelas Wohnung verschwinden und durfte nicht mit ihr in Verbindung gebracht werden. Er erinnerte sich an einen Fall vor einigen Jahren, als es eine Leiche in einem ausgebrannten Wagen gab, die bis heute noch nicht identifiziert worden war. Das war es! Es gab noch den alten Wagen seiner verstorbenen Mutter, den er dafür verwenden konnte. Er verließ die Wohnung, rannte zur Garage und schloss sofort die Tür, denn auf die neugierigen Blicke seiner Nachbarn konnte er gerne verzichten. Zuerst musste er sich vergewissern, dass der Wagen nach der langen Standzeit ansprang. Nach einigen Versuchen hatte er Glück. Sofort schaltete er den Motor wieder aus, schließlich wollte er hier in der geschlossenen Garage nicht draufgehen. Dann entfernte er die Fahrgestellnummer und schraubte die Nummernschilder ab. Große Sorgfalt brauchte er nicht walten zu lassen, schließlich würde der Wagen demnächst in Flammen aufgehen. Er öffnete die Garagentür und setzte sich hinters Steuer. Die Gedanken kreisten um die Leiche. Wenn es stimmte, dass niemand Eduardo kannte und vermutlich auch niemand vermisste, musste er sicher gehen, dass die Leiche nicht anhand des Zahnschemas identifiziert werden konnte. Das konnte er nur verhindern, indem er der Leiche in den Mund schoss. Ob er das überhaupt fertigbrachte? Darüber musste er sich später Gedanken machen. Seine Dienstwaffe konnte er dafür nicht verwenden, das war klar. Dann fiel ihm die alte Waffe seines Großvaters ein. Ob die noch funktionierte? Das musste er riskieren. Er rannte zurück in die Wohnung und nahm die alte Waffe an sich. Sie war nach all den Jahren immer noch geladen, was ihn bisher nicht interessiert hatte. Dann hörte er mehrere Schüsse – das waren Silvesterknaller. Er sah auf die Uhr: kurz nach dreiundzwanzig Uhr. Er trat auf den kleinen Balkon und hörte die Böllerschüsse, die von mehreren Kindern unter grölendem Lachen gezündet wurden. Christian Pölz sah die Waffe an. Ob er es wagen konnte? Warum nicht! Er löschte das Licht in der Wohnung, niemand sollte ihn sehen. Dann legte er an und schoss in die Luft. Ein ohrenbetäubender Lärm machte sich breit. Er wartete einen Moment, dann öffnete sich ein Fenster im Erdgeschoss. Der alte Franzl streckte wieder mal seine Nase raus! Christian verharrte und wartete, was passierte. Zu seiner Überraschung machte der Alte das Fenster wieder zu und nichts geschah. Die Waffe funktionierte – das war alles, was er testen wollte. Jetzt musste er dringend los, denn er traute Angela zu, dass sie in ihrer Panik Dummheiten machte. Unterwegs bemerkte er die Tankanzeige. Verdammt! Es war nicht genug Sprit im Tank! Er musste noch einen Umweg über eine Tankstelle machen, was zusätzlich Zeit kostete. Dass es mittlerweile Mitternacht und somit Silvester war, war Christian egal. Um ihn herum wurden Böller und Raketen gezündet, viele bunte Lichter erhellten den Himmel. Das alles ließ ihn kalt. Christian wusste, welche Tankstelle geöffnet hatte. Nachdem er getankt hatte, kaufte er drei Kanister und befüllte auch diese. Dass er beim Bezahlen der üppigen Rechnung von einem angetrunkenen Mann mit Prosit Neujahr begrüßt wurde, nahm er zur Kenntnis, erwiderte den Gruß aber nicht. Christian war mit seinen Gedanken längst bei dem, was vor ihm lag.
Derweil saß Angela auf der Couch und nagte an ihren Fingernägeln. Beinahe jede Minute sah sie auf die Uhr. Wo war Christian? Über Eduardos Gesicht hatte sie ein Geschirrtuch gelegt, sie konnte seinen Anblick nicht mehr ertragen. Die Leiche musste aus ihrer Wohnung verschwinden, und zwar schnell. Sie wusste nicht, wie lange sie die Situation noch aushalten konnte und nahm Beruhigungsmittel, die nicht wirkten. Was würde passieren, wenn ihr Cousin nicht käme? Was sollte sie dann machen? Sie selbst war zu schwach dafür, den Körper zu entsorgen, sie konnte ihn ja noch nicht einmal ziehen. Wie lange es dauern würde, bis die Polizei hier wäre? Welche Strafe hatte sie zu erwarten?
Sie hatte längst keine Fingernägel mehr, auf denen sie herumkauen konnte, als es endlich klingelte.
„Wo bleibst du so lange?“, lief sie Christian völlig aufgelöst entgegen.
Ihr Cousin kümmerte sich erst um die Leiche. Er fühlte den Puls – Eduardo war tatsächlich tot. Er bemerkte die Kopfwunde und nahm an, dass der Mann unglücklich gestürzt war.
„Du musst mir glauben, dass das ein Unfall war. Eduardo wollte gehen und das konnte ich nicht….“
„Später, Angela, für Erklärungen haben wir jetzt keine Zeit. Erst kümmern wir uns um die Leiche. Einverstanden?“
Sie nickte nur. Sie war völlig auf ihren Cousin fokussiert, da sie keine Ahnung hatte, was er vorhatte. Sie sah zu, wie Christian den großen, schweren Mann auf die Schulter nahm.
„Du willst einfach mit ihm rausspazieren? Spinnst du?“, rief sie panisch.
„Zieh ihm meine Mütze auf, los!“, keuchte Christian unter der Last.
Angela tat, was ihr Cousin von ihr verlangte und zog Eduardo die Wollmütze tief ins Gesicht.
„Und jetzt? Was machst du mit ihm?“
„Mach die Tür auf!“
„Du kannst doch nicht…“
„Es ist Silvester. Falls mich jemand sieht, bringe ich einen Betrunkenen nach Hause.“
„Und was machst du mit ihm? Wo bringst du ihn hin?“
„Später. Ist das seine Tasche?“
„Ja.“
„Gib sie mir. Wenn du noch etwas von ihm findest, verbrenne es. Warte hier auf mich, dann können wir in Ruhe reden.“
Während Angela wartete, fiel ihr auf einmal Lisbeth ein! Sie hatte Eduardo gesehen! Die Frau war die Pest und eine Ratschen, wie sie im Buche stand. Lisbeth!
Angela wurde panisch. Was sollte sie tun? Sie wusste, wo die Frau wohnte, das war nur zwei Straßen entfernt in der Gutenbergstraße. Sie musste die Frau suchen und sie für immer zum Schweigen bringen, denn sie war ein zu großes Risiko. Wie in Trance zog Angela ihren Mantel an. Dann öffnete sie die Schublade der alten Anrichte und nahm das Jagdmesser ihres Vaters an sich, das er damals als Hobbyjäger oft benutzt hatte. Sie zog es aus der Scheide und besah es sich. Der Stahl glänzte nach all den Jahren immer noch, ihr Vater hatte es immer gut gepflegt. Das war genau das richtige Werkzeug für ihr Vorhaben. Wenn man damit Tiere erlegen konnte, dann auch die dicke Lisbeth.
In der Gutenbergstraße ging es hoch her. Viele Familien schienen gemeinsam zu feiern und bevölkerten die Straße. In zwei Tonnen brannte Feuer, darum standen einige Personen und wärmten sich. Wo war die dicke Lisbeth? War sie hier überhaupt dabei und feierte mit? Angela nahm es an und suchte nach der verhassten Frau. So, wie sie Lisbeth einschätzte, war sie nicht weit vom Essen entfernt, deshalb steuerte sie auf einen Carport zu, von dem aus ihr ein verführerischer Geruch entgegenschlug. Wenn Lisbeth ebenfalls hier feierte, dann hielt sie sich sicher in der Nähe des Essens auf.
Tatsächlich fand sie die Frau, nach der sie suchte, in der Nähe des Grills und einer Art Buffet. Lisbeth saß auf einer Bank und unterhielt sich mit einigen Frauen, dabei lachte sie laut. In ihrer Hand hielt sie eine Sektflasche, vor ihr stand ein Teller mit Essen. Typisch Lisbeth!
Angela musste warten. Die Minuten vergingen und kamen ihr wie Stunden vor. Endlich stand Lisbeth auf und stellte die Sektflasche auf den Tisch.
„Ich muss mal für kleine Mädchen!“, rief sie lachend. Angela musste schmunzeln, denn Lisbeth war weit davon entfernt, als kleines Mädchen bezeichnet zu werden. Gab es endlich die Möglichkeit, dieses gehässige Weib für immer zu beseitigen? Sie folgte Lisbeth, die nicht nach Hause ging, sondern sich in einen der Gärten schlich. Auf dem großen Türschild stand Seemann – so hieß Lisbeth nicht mit Nachnamen, sie hieß Roschinsky. Angela schüttelte den Kopf. Die dicke Lisbeth pinkelte doch tatsächlich in den Garten eines Nachbarn!
Schritt für Schritt kam Angela ihrem Ziel näher. Sie beobachtete, wie Lisbeth die Hose runterzog. Den dicken Hintern vor Augen nahm Angela all ihren Mut zusammen. Sie umklammerte das Jagdmesser und stach mehrfach in den Rücken der Frau. Die Wut über die Demütigungen, Unverschämtheiten und Sticheleien dieser Frau entlud sich. Sie achtete längst nicht mehr darauf, wohin sie stach. Wie oft sie zugestochen hatte, wusste sie nicht. Irgendwann hörte sie auf, als Lisbeth schon längst zur Seite gekippt war. War sie tot? Mit dem Fuß stupste sie die Frau an, dann trat sie heftig zu – Lisbeth rührte sich nicht mehr.
Das Jagdmesser nahm sie mit. Zum einen, weil es ihrem Vater gehört hatte. Und zum anderen, weil sie zu viele Filme gesehen hatte. Angela wusste, dass viele sie für dumm hielten, aber ganz so dumm war sie dann doch nicht, um am Tatort ihre Spuren zu hinterlassen. Die Polizei würde niemals die Tatwaffe finden – und sie würde auch niemals auf sie als Täterin kommen. Ob sie Christian davon erzählen sollte? Nein, warum sollte sie?
2.
30.12. Vormittag, Polizeipräsidium Mühldorf
„Der Urlaub ist für alle gestrichen, es gibt keine Ausnahmen.“ Die Ansage des Mühldorfer Polizeichefs Rudolf Krohmer stieß nicht gerade auf Gegenliebe. Einige Kriminalbeamte hatten bereits Pläne für den bevorstehenden Jahreswechsel, die sie jetzt vergessen konnten. Krohmer hatte gerade verkündet, dass Informationen darüber vorlagen, dass es in der Silvesternacht auf dem Mühldorfer Stadtplatz während einer organisierten Silvesterparty zu Ausschreitungen kommen sollte.
„Sind die Informationen überhaupt sicher?“, maulte der vierundfünfzigjährige Leo Schwartz, der sich ganz besonders auf die freien Tage mit seiner Verlobten Sabine Kofler gefreut hatte. Sie hatten sich seit drei Wochen nicht gesehen und er musste auch die zurückliegenden Weihnachtstage ohne sie verbringen. Sabine arbeitete als freie Journalistin und hatte einen Job in Saudi-Arabien angenommen, der sie sehr interessierte. Leo war sauer gewesen, dass sie ihre Arbeit dem Privatleben vorzog, aber er akzeptierte ihre Entscheidung – auch, weil er als verständnisvoller Partner bei ihr punkten wollte. Wie stünde er denn da, wenn er auf das Privatleben pochte und dabei selbst durch seinen Job immer wieder ausgebremst wurde?
„Auf das, was ich heute vom BND übermittelt bekam, können wir uns absolut verlassen. Der Mühldorfer Stadtplatz steht im Fokus einer Gruppierung, die nicht dafür bekannt ist, dass sie nur Flugblätter verteilt. Die Mitglieder der Blauen Armee treten in letzter Zeit immer aggressiver auf. Diese Gruppe ist erst seit wenigen Jahren bekannt. Anfangs hat man diese Leute belächelt, aber das ist nach den letzten Aktionen vorbei.“
„Blaue Armee? Sind das Polen?“, wollte der achtundfünfzigjährige Hans Hiebler wissen, der auch heute trotz des schlechten Wetters wieder aussah, als würde er sich im Süden aufhalten. Und ihn umgab wieder ein betörender Herrenduft, der neu sein musste und vor allem Leo, der neben ihm saß, die Luft zum Atmen nahm.
„Wie kommst du denn darauf?“, fragte Leo.
„Hast du im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst? Die Blaue Armee hat sich aus polnischen Männern in Frankreich in der Zeit des ersten Weltkriegs gebildet.“
„Man kann ja nicht alles wissen“, maulte Leo, der noch nie etwas von dieser Armee gehört hatte.
„Bitte, meine Herren, kommen wir auf den Punkt zurück. Über die Mitglieder ist nicht viel bekannt, die Kollegen beim BND arbeiten daran“, sagte Krohmer, dem die Nationalität dieser Gruppierung völlig egal war. Es würde Unruhen in seinem geliebten Mühldorf geben, die er keinesfalls duldete – ganz egal von wem auch immer. „Wir werden diese Leute gebührend in Empfang nehmen und dafür sorgen, dass Ruhe und Ordnung herrschen.“ Krohmer schaltete den Projektor ein und gab den Plan bekannt, den er während der Nacht ausgearbeitet hatte. „Insgesamt werden siebzig Polizisten eingesetzt, die sich vor der geplanten Silvesterfeier einfinden und ihre Plätze einnehmen werden. Dadurch werden Gäste abgewiesen werden müssen, was uns sehr entgegen kommt. Vielleicht sind sogar einige Mitglieder der Blauen Armee darunter, was sicher nicht schadet. Die jeweils Ihnen zugewiesenen Kollegen werden von Ihnen an den strategischen Punkten platziert, wobei das Hauptaugenmerk auf die beiden Eingangsbereiche und den damit verbundenen Kontrollen gelegt wird. Der Rest mischt sich unter die Partygäste. Dass keine Uniformen getragen werden, versteht sich von selbst. Alle Polizisten geben sich als normale Feiernde aus.“
„Die Abgewiesenen werden nicht begeistert sein, zumal die Karten schon lange ausverkauft sind.“ Die Leiterin der Mordkommission, Tatjana Struck, meldete sich zu Wort. Der Einsatz zu Silvester war ihr gleichgültig, es war ein Datum wie jedes andere auch.
„Das müssen wir in Kauf nehmen. Sie wissen, was zu tun ist. Sobald Ihnen irgendjemand verdächtig vorkommt, nehmen Sie ihn fest.“
„Ohne ausreichenden Grund? Eine bloße Verdächtigung reicht aus?“, hakte Tatjana nach.
„Unter diesen Umständen ja. Jede einzelne Festnahme wird von mir abgesegnet.“
„Donnerwetter! Hoffentlich nimmt das nicht überhand. Wo sollen wir mit den Leuten hin? In unseren vier Zellen ist nicht allzu viel Platz.“ Tatjana sah in viele ratlose Gesichter, denn alle wussten, dass die Arrestzellen, die sich im Keller des Polizeigebäudes befanden, nur für wenige Personen ausgelegt waren.
„Darüber machen wir uns Gedanken, wenn es soweit ist. Machen Sie sich an die Arbeit. Instruieren Sie alle Kollegen und sehen Sie zu, dass Sie die Lage im Griff behalten. Ich wünsche Ihnen viel Glück!“ Krohmer fühlte sich hundeelend. Er hatte keine Ahnung, was genau auf ihn zukam und das gefiel ihm überhaupt nicht. Es gab noch nicht viele Informationen über diese Blaue Armee. Auch darüber, was genau diese Leute vorhatten, tappte man völlig im Dunkeln. Seit dem gestrigen Telefonat am späten Abend mit Theo Dinzinger vom BND hatte er Magenschmerzen. Er spürte, dass diese Aufgabe eigentlich zu groß für ihn und seine Polizei war. Er hatte Verstärkung angefordert, die ihm aber aufgrund des besonderen Datums nicht bewilligt wurde. Nur die Altöttinger Kollegen hatten Unterstützung zugesagt. Jede andere Polizeidienststelle wollte im jeweils eigenen Revier für Ordnung sorgen. „Noch Fragen?“, wandte er sich an die Kollegen.
„Ja. Wann kommt endlich der längst versprochene Kollege, der Werner ersetzten soll?“ Leo war nicht scharf auf einen neuen Kollegen, aber Verstärkung würde sehr guttun.
„Habe ich Ihnen das noch nicht mitgeteilt? Die Verstärkung tritt am 1. Januar den Dienst an. Bis dahin müssen Sie noch ohne einen vierten Kollegen auskommen.“
„Um wen handelt es sich? Gibt es nähere Informationen über den Mann?“ Auch Hans war neugierig.
„Ich habe nicht gesagt, dass es sich um einen Mann handelt, ich sprach nur von einer Verstärkung, über die mir noch keine näheren Informationen vorliegen. Wir werden abwarten müssen. In zwei Tagen lernen wir die Kollegin oder den Kollegen kennen.“ Krohmer wusste tatsächlich selbst noch nicht genau, um wen es sich handelte. Nur der Name Nußbaumer war ihm bekannt, mehr nicht. Er hatte einige Quellen angezapft, erfuhr aber trotzdem keine weiteren Details. Das war sehr ungewöhnlich, denn normalerweise hatte er als Leiter der Polizeiinspektion Mühldorf immer alle Informationen auf dem Tisch. Aber diesmal nicht. Ob das an Weihnachten und der damit verbundenen Urlaubszeit lag? Im Grunde genommen war ihm das Geschlecht und nähere Einzelheiten egal. Ihm war nur wichtig, dass sich der oder die Neue schnell ins Team einfügte.
3.
Zur selben Zeit in München
„Warum Mühldorf? Warum dieses kleine Kaff?“ Der neunzehnjährige Severin Torka hatte all seinen Mut zusammengenommen und war aufgestanden, um diese Frage, die viele der Kameraden beschäftigte, zu stellen. Charly Eckmann mochte keine Widerworte. Und er hasste es, wenn man an seinen Entscheidungen zweifelte.
Charly sah seinen Weggefährten an. Jedem anderen hätte er diese Unverschämtheit nicht durchgehen lassen, aber ihm schon. Er hatte eine Schwäche für Severin Torka, und vor allem für dessen Mutter.
„Denkt doch nach, Männer! In einer Kleinstadt werden wir DIE Schlagzeile werden. Die Zeitungen werden voll von unserem Auftritt sein, die Medien werden sich überschlagen. Ich habe eine Überraschung für euch, die in Mühldorf während unseres Aufenthaltes enthüllt wird. Ihr werdet staunen! Sobald wir zurück sind, wird ein Statement veröffentlicht werden, mit dem wir uns ausführlich äußern werden. Könnt ihr euch vorstellen, wie wir auf einen Schlag bekannt werden? Würden wir in München oder Nürnberg zuschlagen, würde man von uns kaum Notiz nehmen. Noch Fragen?“
Severin Torka fand es trotzdem immer noch dämlich, in diesem kleinen Ort Unruhe zu verbreiten und die geplanten Aktionen durchzuführen. Er zweifelte auch daran, dass man ihre Aktionen überhaupt in dem gewünschten Rahmen zur Kenntnis nehmen würde. Nein, seine Zweifel waren noch nicht ausgeräumt. Er sah seinen Kameraden Wolf Perlinger an. Die beiden hatten sich angefreundet und unternahmen sehr viel gemeinsam auch außerhalb der Gruppe, was niemand wusste und was nicht gerne gesehen war. Wolf nickte ihm aufmunternd zu. Sie hatten im Vorfeld beschlossen, den Vorstand umzustimmen und die Aktion in der Silvesternacht in einer Großstadt durchzuführen. Das konnte nur Severin machen, alle anderen, auch er selbst, trauten sich nicht. Charly Eckmann konnte sehr ungehalten darauf reagieren, wenn man ihn kritisierte. Severin Torka blieb stehen.
„Bitte überdenke deine Entscheidung, Charly. Du hast selbst gesagt, dass seit geraumer Zeit Informationen durchsickern. Ich habe mir den Mühldorfer Stadtplatz online angesehen. Wenn uns die Polizei dort erwartet, wird das kein Zuckerschlecken. Es gibt kaum Fluchtwege. Außerdem befürchte ich, dass alle Aktionen sinnlos verpuffen, dafür steckt zu viel Arbeit dahinter. Lass uns doch…“
„Genug! Ich habe entschieden und dabei bleibt es!“ Charly Eckmann brüllte. Noch während Severin sprach, stieg sein Wutpegel mehr und mehr an.
Severin setzte sich. Viele beobachteten ihn und wussten, dass jetzt das letzte Wort gesprochen war. Schade, denn sie hatten sich von dieser bevorstehenden Aktion sehr viel versprochen. Viele Stunden hatten sie zusammengesessen und alle Vorschläge diskutiert, die von allen Seiten vorgebracht wurden, bis sie sich schließlich geeinigt hatten. Die Mehrzahl der Kameraden war enttäuscht, denn ihr Auftritt würden in dem Kaff sicher untergehen und nicht die gewünschte Wirkung erzielen. Wer würde sich denn für Informationen aus einem nichtssagenden Dorf interessieren? Und was würde passieren, wenn dort tatsächlich die Polizei auf sie wartete?
Charly Eckmann spürte die Unruhe und beruhigte seine Kameraden, wofür er die richtigen Worte fand. Charly war ein äußerst begabter Redner, der seine Zuhörer schnell in den Bann zog. Auch deshalb war er der perfekte Anführer, auch wenn seine Entscheidungen, wie jetzt auch, angezweifelt wurden.
„Ich wollte euch mit dieser Nachricht erst im neuen Jahr überraschen, aber jetzt ist die Zeit gekommen, um euch zu informieren: In einer Woche bekommen wir Zuwachs: zwei weitere Gruppen schließen sich uns an, wodurch unsere Mitgliederzahl sprunghaft ansteigen wird.“ Mit einem breiten Grinsen strahlte er die Kameraden an.
„Wer ist das? Um wen geht es dabei?“, wollten einige wissen.
„Das sind zum einen Mitglieder der aufgelösten Höllenhunde, sowie die Nationalfront, die euch sicher ein Begriff ist.“ Diese Information saß. Charly Eckmann genoss diesen Moment der Bewunderung, die ihm entgegenschlug. Sofort waren alle Feuer und Flamme. Niemand hätte je damit gerechnet, dass die Blaue Armee binnen kürzester Zeit so groß werden würde. Seit Charly zum Vorsitzenden gewählt wurde, wuchs die bis dahin unbedeutende Gruppe mehr und mehr an. Das lag auch an den organisierten Aktivitäten, mit denen man große Aufmerksamkeit erlangte. Längst waren sie nicht mehr die Gruppe durchgeknallter, verwahrloster Männer, sondern waren durchstrukturiert und man begann, in manchen Kreisen sogar mit Achtung von ihnen zu sprechen. Der Aufmarsch und die Übergriffe auf das Asylantenheim in München waren Erfolge gewesen, über die man immer noch sprach.
„Wir treffen uns morgen um elf Uhr hier, dann fahren wir gemeinsam mit einem gemieteten Bus nach Mühldorf. Denkt daran, dass ihr alle sauber und ordentlich ausseht! Das wird ein Spaß werden, das verspreche ich euch. Und jetzt: Freibier für alle!“
Das ließen sich die Kameraden nicht zweimal sagen.
Severin wartete, bis alle den Saal verlassen hatten.
„Entschuldige“, sagte er zu Charly, den er sehr bewunderte. Severin kannte seinen eigenen Vater nicht. Der war abgehauen und hatte seine schwangere Mutter einfach sitzenlassen. Seit Charly vor drei Jahren in sein Leben trat, hatte er endlich die Vaterfigur, nach der er sich immer gesehnt hatte. Auch um ihm zu gefallen mischte er immer ganz vorn mit und wurde immer mutiger. Längst war er nicht mehr der junge, verschüchterte Typ, dem man nichts zutraute – und das hatte er nur Charly zu verdanken.
„Schon gut. Du hattest mit deinem Einwand nicht ganz unrecht. Ich habe die Aktion genau durchdacht und habe mich gezielt für Mühldorf entschieden. Aber es stimmt, dass bezüglich des Verräters ein gewisses Risiko einkalkuliert werden muss. Wir müssen uns um die Ratte kümmern, die uns verpfeift. Hast du einen Verdacht?“
„Nein.“
„Halt die Augen auf und gib mir Bescheid, wenn dir irgendetwas auffällt.“
„Mache ich.“
Charly klopfte dem Jungen auf die Schulter, auch wenn er ihm am liebsten einen Faustschlag verpasst hätte. Diese Unverschämtheit, ihn vor allen anderen zu kritisieren, durfte sich nicht wiederholen.
„Ich brauche die absolute Loyalität der Kameraden. Ohne die kann ich meine Arbeit nicht machen. Das verstehst du doch, oder?“
„Sicher!“
„Habe ich deine Loyalität? Vertraust du mir?“
„Absolut!“
„Warum stellst du mich dann vor allen bloß? Kannst du dir vorstellen, dass du damit meine Autorität untergräbst?“
„Das wollte ich nicht, bitte entschuldige. Ich vertraue dir blind und würde dir überall hin folgen, das weißt du doch!“
„Dann mach das nie wieder!“
Wolf Perlinger beobachtete das Gespräch zwischen den beiden. Er konnte erkennen, dass Charly Severin unter Druck setzte. Verdammt! Er hätte diesen labilen Typen nicht so bearbeiten dürfen! Ob er auch jetzt immer noch so vertrauensvoll alle Informationen weitergeben würde? Wolf spürte, dass er in Zukunft vorsichtiger sein musste. Nicht auszudenken, wenn herauskäme, dass er Informant und Mitarbeiter des BND war. Was dann mit ihm passieren würde, konnte er sich lebhaft vorstellen.
Während alle tranken und immer wieder auf den bevorstehenden Einsatz anstießen, hielt sich Charly Eckmann zurück. Er nippte immer nur an seinem Bier, das das einzige bleiben sollte. Er hatte keinen Schimmer, wer die Ratte war, die Informationen weitergab. Vielleicht hatte er Glück und derjenige würde sich durch hohen Alkoholeinfluss irgendwie verraten.
Wolf Perlinger spürte, was Charly vorhatte und nahm jede Bierflasche an, die ihm angeboten wurde. Er schaffte es, trotzdem nur zwei Bier zu trinken und den Eindruck zu vermitteln, dass er betrunken sei. Charly versuchte, jeden einzelnen auszuhorchen, hatte aber keinen Erfolg. Nach vier Stunden hatte er endlich genug und ging. Zuhause wartete die schöne Helen, die er nicht länger warten lassen wollte. Aber vorher hatte er aber noch ein wichtiges Telefonat zu erledigen.
„Ich habe die Kameraden informiert“, sagte Charly.
„Jetzt schon? War das nicht zu früh? Du weißt, dass es eine undichte Stelle gibt!“ Dominik Baumann, der Anführer der Nationalfront, war nicht begeistert.
„Es ging nicht anders, man hat die Aktion in Mühldorf in Frage gestellt.“
„Mühldorf ist genial, was gibt es daran zu kritisieren? Schwamm drüber. Halt die Augen auf, Charly. Viel Glück!“
„Danke. Wenn ich zurück bin, werden wir die weiteren Schritte besprechen. Hast du deine Leute informiert?“
„Natürlich nicht! Wie besprochen, halten wir Übungen im Gelände ab. Wofür die gut sind, weiß niemand – und dabei soll es auch bleiben.“ Dominik Baumann war kein Freund davon, Untergebene wie Freunde zu behandeln. Als ehemaliger Fremdenlegionär war er es gewohnt, dass einer die Befehle gab und andere diese ungefragt befolgten. Er hatte vor vier Monaten die Nationalfront an sich gerissen und seitdem versucht, diesen bunten Haufen zu ordentlichen Soldaten zu formen. Einige waren abgesprungen, da sie dem Drill nicht standhielten, dafür waren andere dazugekommen, die Baumann aus seiner aktiven Zeit als Fremdenlegionär kannte. Trotzdem waren sie nur wenige, die nichts ausrichten konnten. Gemeinsam mit der Blauen Armee sah das schon ganz anders aus. Die Gespräche mit Charly Eckmann waren sehr vielversprechend gewesen. Als es dann auch noch die Möglichkeit gab, die Höllenhunde zu gewinnen, wurden die Gespräche intensiver. Eckmann und Baumann begannen, Pläne zu schmieden, die sie gedachten, zeitnah in die Tat umzusetzen. Die Aktion auf dem Mühldorfer Stadtplatz war längst geplant und Charly bestand darauf, diese umzusetzen.
„Gut. Wenn ihr zurück seid, wird die Presse vor der Tür stehen, darum werde ich mich kümmern“, sagte Baumann, der gute Kontakte zu den Medien hatte. „Und während alle noch über Mühldorf sprechen, übernehmen wir den Bayerischen Landtag.“
Wolf Perlinger trat hinter dem Haus in der Sendlingerstraße hervor. Drinnen wurde kräftig gefeiert. In dem alten Haus war eine Schreinerwerkstatt untergebracht, der Besitzer Ludwig Wallinger war ein Freund von Charly. Sobald Feierabend war, konnten sie sich in den Kellerräumen der Werkstatt frei bewegen. Dort hatten sie sich einen Raum eingerichtet, in dem sie sich regelmäßig trafen. Niemand wusste davon. Eine geniale Tarnung, die auf Charlys Mist gewachsen war.
Wolf beobachtete, wie der Chef lange telefonierte und dann mit seinem alten Amischlitten davonfuhr. Dann nahm Wolf sein Handy.
„Die Aktion findet wie geplant in Mühldorf statt. Eckmann hat vorhin verkündet, dass die Blaue Armee anwächst. Mitglieder der Höllenhunde und der Nationalfront werden sich anschließen. Sie wissen, was das bedeutet.“
Theo Dinzinger atmete tief durch. Ja, er wusste, was das zu bedeuten hatte. Es trat genau das ein, was er befürchtet hatte: Die Blaue Armee wurde stärker und stärker.
„Noch etwas, Perlinger?“
„Nein. Ich fürchte, dass meine Tarnung demnächst auffliegt. Sie müssen mich hier rausholen.“
„Nein, das ist noch zu früh. Wir haben es geschafft, einen Maulwurf in die Blaue Armee einzuschleusen. Das ist Gold wert! Wir können jetzt nicht einfach aufhören, nicht jetzt. Halten Sie durch, Perlinger! Halten Sie die Augen auf und seien Sie wachsam. Gehen Sie um Gottes Willen kein Risiko ein! Melden Sie sich, wenn sich etwas Neues ergibt.“
Wolf legte auf und ging. Unterwegs warf er die Prepaidkarte seines Handys in irgendeinen Papierkorb. Nichts und niemand durfte ihn mit seinem Kontaktmann in Verbindung bringen. Zuhause hatte er unter den Dielenbrettern noch weitere Prepaidkarten versteckt, die er nach und nach aufbrauchte.
Wolf hatte nicht mitbekommen, dass er belauscht wurde. Severin stand während des Gesprächs in der Nähe und hatte Wortfetzen aufgeschnappt. War das möglich? Hatte er Wolf richtig verstanden? Er winkte ab und pisste gegen die Hauswand. Welchen Grund sollte Wolf haben, die Kameraden zu verraten? Nein, das konnte nicht sein. Er hatte sich sicher verhört, woran das Bier, von dem er viel zu viel trank, sicher schuld war. Severin ging zurück zu den Kameraden, die zu seiner Familie geworden waren. Hier fühlte er sich wohl, er wollte nirgendwo anders sein.
4.
Silvester 31.12., 8.30 Uhr
Diana Nußbaumer war voller Vorfreude. Morgen war es so weit und sie trat ihre neue Stelle in Mühldorf an. Die Stadt selbst war ihr nicht unbekannt. Sie wurde in Burghausen geboren, wuchs dort auf und lebte immer noch dort. In der Schule wurden diverse Ausflüge nach Mühldorf unternommen. Außerdem führte die Bahn direkt über diesen Ort, wo sie manche Stunde wartend auf den nächsten Zug verbrachte. Das alljährliche Stadtfest war neben vielen anderen Veranstaltungen ein Besuchermagnet, das auch sie, ihre Familie und Freunde immer wieder nach Mühldorf führte. Als sie die Zusage für die vom Innenministerium ausgeschriebene Stelle bei der Kriminalpolizei Mühldorf bekam, war sie hin und weg. Niemals hätte sie daran geglaubt, in der Nähe ihres Wohnortes einen geeigneten Job finden zu können. Innerlich hatte sie sich bereits darauf eingestellt, weit weg ziehen zu müssen. Dadurch hätte sie ihre Familie zurücklassen müssen, was ihr als eingefleischtem Familienmenschen nicht gefallen hätte. Sie lebte mit ihren achtundzwanzig Jahren immer noch in ihrem Elternhaus, was ihr im Freundeskreis Hohn und Spott einbrachte. Aber das war ihr gleichgültig. Sie liebte das warmherzige Heim, ihre Eltern und ihren Bruder, der seit zwei Jahren mit seiner Frau das ausgebaute Dachgeschoss bewohnte. Im Haus gleich nebenan lebten ihre Großeltern, die sie über alles liebte. Vor allem ihr Opa Alois hatte es ihr angetan. Weil er Polizist gewesen war, hatte sie diese Laufbahn eingeschlagen. Sie wollte so sein wie er, ihn wollte sie stolz machen, was ihr auch gelang. Es kam nicht selten vor, dass der Opa unter der Woche am Fenster wartete und sie abpasste, wenn sie nach Hause kam. Erst musste sie ausführlich von ihrem Tag erzählen. Dann kramte Opa in seinen Erinnerungen und erzählte dazu passende Geschichten. Wie er das machte, war ihr ein Rätsel. Diana liebte diese Gespräche. Dabei tranken sie Pfefferminztee und aßen Kekse, die Oma extra für diese Gespräche gebacken hatte. Wenn sie dann nach Hause ging, wartete dort die Familie und alle berichteten über die Erlebnisse des Tages. Die Wochenenden wurden gemeinsam verbracht. Man kochte und aß gemeinsam, für alle war das selbstverständlich. Nein, dieses Zuhause, um das sie viele insgeheim sicher beneideten, würde sie nur sehr ungern aufgeben. Für sie war es schön, heimzukommen und zu wissen, dass sie nicht allein war. Hier wartete man auf sie und interessierte sich für jede Kleinigkeit.
Da Mühldorf über die neue Autobahn keine halbe Stunde entfernt war, war allen klar, dass sich an der Wohnsituation nichts ändern würde. Und damit das auch so blieb, bekam sie von ihren Großeltern zu Weihnachten einen neuen Wagen geschenkt. Wäre sie nicht völlig verrückt, wenn sie diese Familie verlassen würde?
Diana wusste natürlich, dass am Mühldorfer Stadtplatz eine riesige Silvesterparty geplant war. Deshalb hatte sie Karten gekauft und wollte dort mit ihrem Bruder und dessen Frau ins neue Jahr feiern. Gäbe es einen geeigneteren Ort? Ganz sicher nicht!
5.
Silvester 12.00 Uhr
Die Kameraden der Blauen Armee trudelten am vereinbarten Treffpunkt in München nur sehr zögerlich ein. Carly Eckmann ärgerte sich über die Unpünktlichkeit seiner Leute, die sich nicht einmal dafür schämten, dass andere auf sie warten mussten. Aber er war erfreut darüber, wie die Kameraden aussahen, denn alle hielte sich an seine Vorgaben und sahen sehr adrett aus. Die Gespräche während der Fahrt hielten sich in Grenzen. Viele hatten einen dicken Kopf, andere schliefen. Charly ließ während eines Staus seinen Blick über die insgesamt vierunddreißig Insassen des Busses, den er selbst fuhr, schweifen. Er war enttäuscht, dass auch Severin schlief. Von Helen wusste er, dass ihr Sohn heute Nacht nicht nach Hause gekommen war. Er hatte sie beruhigen und ablenken müssen, denn sie machte sich immer große Sorgen um ihren Jungen, den sie abgöttisch liebte.
Es gab vier Kameraden, die hellwach schienen, darunter auch Wolf Perlinger, der erst seit wenigen Monaten Teil der Gruppe war. Charly war sofort begeistert gewesen, als er den Mann ganz zufällig kennenlernte und er ihn unbedingt als neues Mitglied gewinnen wollte, als er sich über dessen Lebenslauf informiert hatte. Für das, was geplant war, konnte er einen Mann mit seinen Fähigkeiten gut brauchen.
Charly trommelte ungeduldig auf das Lenkrad. Sie waren spät dran und konnten sich diesen Stau nicht leisten. Hoffentlich löste sich der demnächst auf, denn sonst konnten sie sich die Aktion in Mühldorf in die Haare schmieren. Charly wusste immer noch nicht, wer von seinen Leuten der Spitzel war. Wollte er das überhaupt wissen? Wäre er nicht sehr enttäuscht darüber, wenn er die Wahrheit wüsste? Doch, er musste es wissen, denn der Gedanke daran ließ ihn nicht mehr in Ruhe. Aber wer war es?
Endlich ging es weiter. Ein Lkw war liegegeblieben, er hatte den Stau verursacht. Als Charly an der Stelle vorbeifuhr, zeigten er und die wachen Kameraden den Polizisten den Mittelfinger. Alle lachten über den Spaß.
Kurz vor Mühldorf kam Leben in den Bus. Alle sahen nach draußen, schließlich wusste niemand, wo das Kaff genau war und wie es hier aussah. Die Enttäuschung war groß, dass es sich tatsächlich um einen kleinen Ort handelte. Ob das wirklich klug war? Daran war jetzt nichts mehr zu ändern. Sie waren jetzt hier und mussten ihr Ding wie geplant durchziehen.
Für den Bus fand Charly mitten in einer Wohnsiedlung einen geeigneten Parkplatz. Hier schwor er die Kameraden nochmals auf das bevorstehende Ereignis ein, auch wenn nicht mehr viel Zeit blieb. Jetzt waren alle hellwach und wussten, was zu tun war. Charly war begeistert!
15.00 Uhr
Die Bühne war dekoriert, alle Buden waren längst aufgebaut und eingeräumt, die Silvesterparty auf dem Mühldorfer Stadtplatz konnte pünktlich in einer Stunde losgehen. Die Polizisten waren auf ihren Posten. Alles war perfekt, nur das Wetter spielte nicht ganz mit. Schon den ganzen Tag über pfiff ein schneidend kalter Wind, der sehr unangenehm war. Darüber hinaus war Eisregen angesagt, der den Einsatz nicht gerade erleichtern würde.
Leo Schwartz war wieder viel zu leicht angezogen. Er trug zwar einen dicken Pulli unter der Lederjacke, den ihm seine Ersatzmutter und Vermieterin Tante Gerda zu Weihnachten geschenkt hatte, aber der reichte gegen die Kälte nicht aus. Während alle anderen mit langen Unterhosen, dicken Stiefeln, Mütze, Schal und Handschuhen ausgestattet waren, hatte Leo wie immer nur Jeans und Cowboystiefel an. Mütze, Schal und Handschuhe besaß er nicht. Und wenn doch, dann hatte er keine Ahnung, wo er danach suchen sollte.
„So willst du die Nacht überstehen?“, sagte Hans, der warm eingepackt war und den Leo kaum wiedererkannte. Die Mütze war tief ins Gesicht gezogen. Die dicken Stiefel und die gefütterte Hose hatte Leo noch nie bei ihm gesehen.
„Ist das eine Skihose?“
„Klar! Wenn der Mist hier vorbei ist, möchte ich mit meiner Anita zu einem romantischen Wochenende nach Kärnten fahren. Denkst du, ich möchte eine Erkältung riskieren? Zieh dich um, du wirst sonst krank.“
„Ich werde nie krank. Schwaben sind von Natur aus sehr robuste Typen“, maulte Leo zurück.
An beiden Stadttoren warteten schon unzählige Gäste, die es kaum erwarten konnten, endlich ins neue Jahr feiern zu dürfen. Punkt sechzehn Uhr begann der Einlass. Die Mengen, unter denen sich auch Diana Nußbaumer, ihr Bruder und dessen Frau Eva befanden, stürmten den Stadtplatz und bevölkerten sofort die Buden, an denen Alkohol ausgeschenkt wurde. Durchsuchungen konnten aufgrund des Andrangs nur stichpunktartig ausgeführt werden. Noch klang laute Musik aus den Lautsprechern. Eine dreiviertel Stunde später betrat die Band die Bühne, die lautstark begrüßt wurde. Leo kannte die Band nicht. Er konzentrierte sich darauf, die Leute um sich herum zu beobachten. Längst wusste er, dass er auf Hans hätte hören sollen, denn er fror entsetzlich. Ob er die Silvesternacht ohne Erkältung überstand, stand in den Sternen.
Die Kameraden der Blauen Armee hatten sich vor dem Einlass ganz nach vorne gedrängelt. Hätten sie gewusst, dass nicht alle Personen zugelassen wurden, wären sie misstrauisch geworden. So schöpften sie keinen Verdacht. Den Kontrollen, die sie erwartet hatten, konnten sich viele geschickt entziehen. Drei von ihnen wurden wegen ihrer mitgeführten Messer und Schlagringe sofort festgenommen, was die anderen nicht mitbekommen hatten.
Enttäuscht und fluchend gingen diejenigen, denen der Einlass verwehrt wurde.
Um dreiundzwanzig Uhr konnte die geplante Aktion der Gruppe endlich losgehen. Zuerst wurden nur kleine Silvesterknaller gezündet, obwohl jegliches Feuerwerk verboten war. Dann gab es größere Böller, die direkt in die Menge geworfen wurden, darauf folgten Raketen – an manchen Stellen reagierten die Leute panisch. Es gab erste Verletzte. Die Polizisten wurden nervös und versuchten umgehend herauszufinden, wer die Schuldigen waren. Durch Augenzeugen konnten einige wenige festgenommen werden, andere tauchten in der Menge unter.
Dann kam Stufe zwei. Die Kameraden bedrängten Frauen, wobei das Alter unerheblich war. Es ging nur darum, Unruhe zu stiften und auf dem ganzen Platz Streitigkeiten vom Zaun zu brechen. Es gab nicht wenige Schlägereien, die auch aufgrund des erhöhten Alkoholkonsums ausarteten. Es dauerte nicht lange, und die Polizei hatte alle Hände voll zu tun. Die Anzahl der Verletzten stieg.
Diana Nußbaumer hatte schon vorher gespürt, dass hier etwas nicht stimmte. Als die Übergriffe losgingen, achtete sie nicht auf sich, sondern vor allem auf ihre Schwägerin Eva, die im dritten Monat schwanger war. Um sich selbst machte sich Diana keine Sorgen, sie konnte sich als Kampfsportlerin sehr gut wehren. Aber Eva war den Übergriffen schutzlos ausgeliefert, denn sie war klein und schmächtig – und darin war sie ihrem Mann, Dianas Bruder Konstantin, sehr ähnlich. Er würde keine große Hilfe sein, deshalb musste sich Diana um Eva kümmern. Es dauerte nicht lange und einer grabschte Eva an. Ein anderer versuchte, sie zu küssen. Diana holte aus und schlug beiden Männern ins Gesicht. Zwischen Diana und einem der Männer gab es ein kurzes Handgemenge, bis der endlich klein beigab und abhaute. Diana versuchte, ihren Bruder und Eva aus der Menschenmenge herauszuführen. Sie war gezwungen, zwei weitere Schläge zu verteilen, bis sie endlich an einer Hausmauer angekommen waren.
„Ihr bleibt hier stehen, verstanden?“ Sie stellte sich schützend vor die beiden. Angespannt wartete sie auf den nächsten Übergriff, der sicher nicht lange auf sich warten ließ. Was war hier nur los?
Es war kurz vor Mitternacht und Charly Eckmann, der selbst nicht aktiv eingriff, wurde nervös. Jetzt war für ihn die Zeit gekommen, das Banner am südlichen Stadttor zu entrollen, dass er dort vor drei Tagen angebracht hatte. Es war leicht gewesen, sich als vermeintlicher Monteur Zugang zu verschaffen. Niemand schöpfte in dem unterbesetzten Rathaus Verdacht, als er seinen gefälschten Auftrag vorlegte. Er bekam die Schlüssel, alles andere war eine Kleinigkeit. Mit einem raffinierten Mechanismus, den er mit seinem Handy auslösen konnte, prangten jetzt riesige Buchstaben auf dem Banner, die von zwei Scheinwerfern angestrahlt wurden:
DIE BLAUE ARMEE KÄMPFT FÜR DEUTSCHE RECHTE
stand dort. Als viele der Gäste auf dieses Banner starrten, wurden an mehreren Stellen bengalische Feuer gezündet, die Panik verursachten. Die Polizei hatte alle Hände voll zu tun, um die Situation im Griff zu behalten, was für alle sehr schwierig war.
Wolf Perlinger starrte auf das Banner. Er hatte vor einer Woche in Charlys Garage eine helle Stoffrolle gefunden, hatte aber nicht die Zeit gehabt, sich diese genauer anzusehen. Die Größe passte. Er war überrascht und beeindruckt, wie clever Charly war. Es war gut gewesen, den Mann niemals zu unterschätzen.
Diana wurde von einem Mann grob angefasst, was sie sich nicht gefallen ließ. Sie vermöbelte den Mann, der nach wenigen Schlägen weinend auf dem Boden lag. Ein zufällig vorbeikommender Polizist verhaftete sie. Sie versuchte, ihm die Situation zu erklären, aber der Polizist interessierte sich nicht dafür. Diana wurde abgeführt.
„Macht, dass ihr nach Hause kommt!“, rief sie ihrem Bruder zu.
„Was ist mit dir? Sollen wir nicht mitkommen?“
„Keine Sorge, das klärt sich. Zuhause kein Wort, verstanden?“ Mehr konnte sie nicht sagen, der Polizist zog sie grob mit sich.
Die Polizisten räumten gründlich auf. Nach zwei Stunden war der Stadtplatz leer und die Arrestzellen der Mühldorfer Polizei rappelvoll. Die Notärzte hatten alle Hände voll zu tun und die Notaufnahme des Krankenhauses platzte aus allen Nähten. Zum Glück setzte erst jetzt der erwartete Eisregen ein.
„Das hätte ins Auge gehen können“, sagte Leo halb erfroren. Die Decke, die ihm einer der Sanitäter vor einer halben Stunde überreichte, hatte er gerne angenommen.
„Ist alles nochmal gutgegangen“, antwortete Hans erschöpft.
Auf dem Weg zu ihrem Fahrzeug fuhren drei Löschzüge der Feuerwehr mit Blaulicht und Sirene an ihnen vorbei. Sie hatten Schwierigkeiten, auf den immer mehr vereisten Straßen voranzukommen.
„Was ist denn jetzt schon wieder los?“, schimpfte Leo. „Kann eine Silvesternacht nicht nur ein einziges Mal friedlich ablaufen?“
„Das werden wir beide nicht mehr erleben. Das sieht nach einem größeren Einsatz aus, das sollten wir uns ansehen. Steig ein!“
Hans folgte der Feuerwehr bis in die Lohberg-Siedlung, was auf den vereisten Straßen nicht ungefährlich war. Was sie dort erwartete, war erschreckend: Es standen acht Pkw und ein Bus in Flammen.
„Was ist denn hier los?“ Leo war sprachlos. So etwas hatte er noch nie gesehen.
„Das ist Vandalismus in seiner reinsten Form“, schimpfte Hans, der so etwas Sinnloses hasste.
Die Feuerwehr brauchte lange, bis alle Brände gelöscht waren. Das Löschwasser vereiste die Straßen noch mehr, weshalb Hans ein Streufahrzeug anforderte, denn unter diesen Bedingungen konnte er nicht arbeiten. Nachdem dick gestreut wurde, fühlten sich viele sehr viel sicherer, vor allem die älteren Leute unter den vielen Schaulustigen, die sich eingefunden hatten. Leo und Hans befragten die Anwohner und Schaulustigen, was aufgrund des hohen Alkoholkonsums bei einigen Personen sehr schwierig und nervenaufreibend war. Eine betrunkene Frau umarmte Leo und versuchte, ihn zu küssen. Brüsk stieß er sie von sich. Er hasste es, wenn man ihn anfasste; und er lehnte es ab, sich dermaßen zu betrinken, dass man die Kontrolle verlor.
Dass man Fahrzeuge angezündet hatte, die teilweise einen sehr hohen Wert hatten, schockierte viele. In den Medien hatte man das immer wieder beobachten müssen, aber dass man selbst einmal damit konfrontiert werden würde, war für die meisten nicht zu fassen. Vandalismus in dieser Form war zwar bekannt, aber wenn das vorkam, dann immer weit genug weg. Und jetzt hatte es die Mühldorfer Lohberg-Siedlung getroffen.
Die Eigentumsverhältnisse der meisten Fahrzeuge waren schnell geklärt. Übrig blieben ein Kombi und ein Bus. Einige der Betroffenen waren aufgebracht, andere hingegen sehr ruhig.
„Das wird die Versicherung klären“, sagte ein Mann in einem dicken Wintermantel. Er gab seine Personalien an und ging wieder ins Haus.
„Wem gehört der Bus?“, wollte Hans wissen.
„Der steht schon seit heute Nachmittag da“, sagte einer und andere stimmten ihm zu. „Gegen fünfzehn Uhr wurde er hier abgestellt. Eine Gruppe junger Männer stieg aus, alle liefen in diese Richtung. Die wollten sicher zu der Feier am Stadtplatz.“ Auch diese Frau bekam die Zustimmung anderer, die Ähnliches beobachtet hatten.
„Dass fremde Fahrzeuge und auch Busse hier parken, ist nicht ungewöhnlich. Wenn Veranstaltungen auf dem Stadtplatz stattfinden, ist hier immer alles voll. Es gefällt uns nicht, aber wir können nichts dagegen tun. Wie und wo wir unsere eigenen Fahrzeuge parken sollen, ist der Stadtverwaltung doch völlig egal!“
Hans versuchte, das Kennzeichen des Busses zu entziffern, was ihm mit viel Mühe schließlich gelang. Er gab das Kennzeichen an Zentrale weiter. Der Kombi, dessen Besitzer noch unklar war, wurde noch gelöscht.
Leo versuchte indes, die Befragungen fortzusetzen, was immer schwieriger wurde. Inzwischen drehte sich alles nur noch um Fahrzeuge, die hier parkten und dass die Stadt nichts dagegen unternahm. Das Fazit der Befragungen war ernüchternd: Niemand hatte etwas gesehen oder gehört. Die Lohberg-Siedlung war sehr ruhig gelegen. Wenn man hier ein Haus oder eine Eigentumswohnung besaß, hatte man es geschafft. Dass hier niemand bezüglich der Brände etwas gesehen oder gehört hatte, war für Leo und Hans kaum vorstellbar.
„Brandmeister Zwirglmaier“, stellte sich der korpulente Mann vor, der völlig außer Atem war. „Das letzte Fahrzeug ist gelöscht. Kommen Sie bitte mit, das müssen Sie sich ansehen!“
Leo und Hans standen vor dem ausgebrannten Kombi. Sie sahen sofort, dass hier etwas nicht stimmte.
„Hier sitzt einer drin“, sagte Zwirglmaier, der mit der Situation völlig überfordert schien. Zwei seiner Kameraden standen vor dem Fahrzeug und starrten auf die verkohlte Leiche, drei andere mussten sich übergeben.
Hans Hiebler ging ums Fahrzeug und versuchte, das Kennzeichen zu entziffern.
„Da sind keine Kennzeichen dran“, rief Zwirglmaier, der dies selbst schon überprüft hatte.
Leo besah sich indes das Opfer genauer. Hier stimmte etwas nicht. Es kräuselten sich Leos kaum mehr vorhandenen Nackenhaare.
„Wir brauchen die Spurensicherung“, sagte er zu Hans.
Hans sah seinen Freund und Kollegen an. Was hatte Leo gesehen, was ihm nicht aufgefallen war? Während Leo telefonierte, versuchte er, das herauszufinden. Die Scheiben des Fahrzeugs waren durch den Brand zerborsten. Die Leiche saß auf dem Fahrersitz. Die Hände lagen auf dem Schoß, was an sich noch nicht viel aussagte, obwohl das schon etwas merkwürdig war. Dann sah er das, was Leo gesehen haben musste: Eine Gürtelschnalle hing an der Rücklehne des Fahrersitzes. Waren das Reste eines Gürtels? Wenn ja, dann wurde das Opfer damit fixiert – und dann hatten sie es mit Mord zu tun.
„Du hast den Gürtel auch gesehen?“, wandte sich Leo an Hans, der daraufhin nickte.
„Gürtel? Wovon sprechen Sie?“ Zwirglmaier verstand kein Wort, auch die Kollegen hingen an den Lippen der Kriminalkommissare.
„Die Hände des Opfers liegen im Schoß. Hätte nicht jeder normale Mensch versucht, irgendwie aus dem Auto zu kommen?“ Hans versuchte zu erklären, auch wenn er das nicht musste. Was sollte er machen? Er hatte nun mal eine Schwäche für Feuerwehrleute.
„Vielleicht hat der Mann eingesehen, dass er keine Chance hatte, aus dem Wagen zu kommen?“, sagte Zwirglmaier und einige seiner Leute nickten zustimmend. „Warum ist er nicht einfach ausgestiegen?“
„Weil das Opfer das nicht konnte. Sehen Sie die Gürtelschnalle, die sich auf der Rückenlehne eingebrannt hat?“
Zwirglmaier nickte. Langsam verstand er, was der Kriminalkommissar sagen wollte.
„Der Mann wurde auf dem Fahrersitz festgeschnallt?“
„Danach sieht es für uns vorerst aus. Allerdings ist das nur eine Vermutung, die die Spurensicherung bestätigen muss.“
„Warum sind Sie sich sicher, dass das Opfer ein Mann ist?“, mischte sich Leo ein.
„Das ist eine Frau?“
„Das wissen wir noch nicht. Auch das muss geklärt werden. Ich darf Sie alle bitten, nichts anzufassen.“
„Selbstverständlich nicht!“
Niemand bemerkte die Männer, die sich unweit des Geschehens versammelt hatten…
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