Der 52. Fall aus der Leo-Schwartz-Krimireihe
1.
Vor einem Jahr am 4. Oktober 2024
„Du kümmerst dich um Patrick. Ich verlasse mich auf dich, Ricky!“ Die Ansage war deutlich, der Ältere der beiden Männer erwartete keinen Widerspruch. Er sah in das erschrockene Gesicht seines engsten Mitarbeiters. Ob er verstanden hatte? „Du weißt, was ich damit meine? Patrick ist ein Problem, er gefährdet unsere Geschäfte. Seitdem er hier ist, hat er seine Nase in Dinge gesteckt, die ihn nichts angehen. Ich habe ihn gewarnt, aber er will einfach nicht hören. Gestern hat er mir sogar gedroht. Er meinte, dass er zur Polizei gehen würde, wenn ich nicht sofort mit meinen Geschäften aufhöre. Du weißt, dass wir das nicht machen werden, dann wären wir selbst dran. Der Junge versteht die Komplexität einfach nicht. Patrick muss zur Vernunft gebracht werden und du übernimmst das.“
„Aber…“
„Kein Aber. Du wirst das Problem erledigen, verstanden? Der Junge muss endlich kapieren, was auf dem Spiel steht und dass er den Mund halten soll.“
„Solltest du nicht nochmal versuchen, Patrick ins Gewissen zu reden? Er ist jung und naiv. Wenn du ihm unsere Situation nochmals in aller Ruhe erklärst, wird er uns sicher verstehen.“
„Meinst du, dass ich das nicht versucht habe? Mit Engelszungen habe ich auf ihn eingeredet, aber mit ihm kann man nicht reden. Er ist einer dieser Gutmenschen, die blauäugig durch die Welt gehen. Für ihn gibt es nur schwarz oder weiß. Mein Geld hat er gern genommen, aber damit, wie ich es verdiene, will er nichts zu tun haben. Er hat deutlich gemacht, dass er zur Polizei gehen wird – und das darf nicht passieren! Er hat eine Grenze überschritten. Du weißt sehr gut, dass ich mir nicht drohen oder mich gar erpressen lasse.“
„Warum ich? Warum soll ich mich um ihn kümmern?“
„Du erwartest eine Erklärung? Ich glaube, das versteht sich von selbst. Du kennst ihn schon seit vielen Jahren. Er vertraut dir, auch wenn ich das bis heute nicht verstehe. Du übernimmst das – und jetzt keine weiteren Diskussionen.“
Es entstand eine kurze Pause.
„Was springt für mich dabei raus?“
„Du willst Geld dafür haben, dass ich auch deinen Kopf rette?“
„Richtig. Du hast doch genug davon. Ich will eine halbe Million.“
Der Ältere war erschrocken. Nie im Leben hätte er mit einer solchen Reaktion und dieser dreisten Forderung gerechnet. Aber Ricky war im Vorteil. Er brauchte ihn für diese heikle Aufgabe, die er nicht selbst erledigen konnte.
„Eine Viertelmillion reicht. 100.000 sofort, mehr ist gerade nicht drin. In zwei Wochen bin ich wieder flüssig, dann bekommst du den Rest.“
„Einverstanden.“
„Du hast das Problem verstanden? Du musst Patrick dazu bringen, für immer den Mund zu halten und uns in Ruhe zu lassen.“
„Ich habe verstanden, ich bin ja nicht blöd.“ Ricky drehte sich um und ging.
Der Ältere sah ihm hinterher. Dass sein Mitarbeiter mit seiner Reaktion und der dreisten Forderung zu weit gegangen war, ahnte der nicht. Wenn Ricky sich um Patrick gekümmert hatte, musste er sich nach einem neuen Mitarbeiter umsehen. Ricky hatte alle Sympathien verspielt, aber davon ahnte er nichts. Noch fühlte sich sein engster Mitarbeiter gut damit, dem Chef die Stirn geboten und ihm eine Menge Geld aus den Rippen geleiert zu haben. Das war sein Todesurteil – und die Vollstreckung würde er in diesem Fall persönlich übernehmen, denn damit hatte er kein Problem.
Noch am selben Abend kam Ricky zum Chef, der immer noch im Büro saß.
„Ich habe den Job erledigt“, grinste Ricky und lümmelte sich in den Sessel. Eine Unverschämtheit, die er meinte, sich herausnehmen zu dürfen. „Es war eigentlich ganz leicht. Der Junge war anfangs bockig und argumentierte naiv, aber das hat sich schnell geändert. Er hat mir zugehört und die Brisanz verstanden. Er wird uns keine Schwierigkeiten mehr machen“, grinste Ricky. „Willst du wissen, wie es abgelaufen ist?“
„Nein, ich möchte keine Einzelheiten hören. Kann ich mich wirklich darauf verlassen, dass wir von Patrick keine Probleme zu erwarten haben?“
Ricky nickte gelangweilt.
„Du hast seine Sachen gecheckt? Nichts, womit wir noch Schwierigkeiten bekommen können?“
„Wenn ich es doch sage! Es gibt keine Beweise, einfach nichts. Keine einzige Spur, dafür habe ich gesorgt. Wir haben von Patrick keine Schwierigkeiten mehr zu erwarten. Was bist du denn so misstrauisch? Weil es um Patrick geht?“
„Das versteht sich doch von selbst.“
„Hast du meine Kohle? Wir hatten 100.000 sofort vereinbart.“
Der Chef kramte in der Schublade, zog eine Waffe hervor und richtete sie auf Ricky.
„Was machst du denn?“
„Denkst du wirklich, dass ich mich von dir erpressen lasse? Ich habe dich immer gut behandelt, oder etwa nicht?“
„Ja und dafür bin ich dir sehr dankbar. Komm schon, Boss. Wir sind doch Freunde, steck die Waffe weg. Das mit der Kohle habe ich doch nicht ernst gemeint, das war doch nur ein Scherz.“
„Du bist zu weit gegangen, ich vertraue dir nicht mehr. Wir steckten beide in der Klemme und du hast nur an deinen finanziellen Vorteil gedacht. Das sehe ich als Verrat an und deshalb vertraue ich dir nicht mehr.“
„Vergiss das Geld, ich will es nicht mehr haben.“
„Dafür ist es jetzt zu spät.“
Es folgte ein Schuss und Ricky sackte in sich zusammen.
Erleichtert lehnte sich der Boss zurück. Patrick konnte überzeugt werden, Beweise gab es keine. Außerdem hatte er diese Ratte vom Hals. Ein kurzes Telefonat und zwei seiner Mitarbeiter kamen, um Ricky und alle Spuren zu beseitigen. Ab sofort konnte er sich wieder in aller Ruhe um seine Geschäfte kümmern. Ein kurzer Blick aufs Handy. Ob er Patrick anrufen sollte? Lieber nicht…





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